John Erpenbeck & Werner Sauter: So werden wir lernen! Kompetenzentwicklung in einer Welt fühlender Computer, kluger Wolken und sinnsuchender Netze.

Rezensent: Dr. Dirk Jahn.
Quelle: Wilbers, K. (Hrsg.): Handbuch E-Learning, 49. Erg.-Lfg. Oktober 2013, www.personalwirtschaft.de/elearning
Originalliteratur: Erpenbeck, John/Sauter, Werner: So werden wir lernen! Kompetenzentwicklung in einer Welt fühlender Computer, kluger Wolken und sinnsuchender Netze. Berlin (Springer Verlag) 2013, ISBN 978-3-642-37180-6, 252 Seiten, 39,99 Euro.
Ein Großteil der Aus- und Weiterbildung wird heute immer noch in Präsenzveranstaltungen – fernab von der eigentlichen Praxis – bestritten. In Tagesseminaren sollen Führungskräfte an einem Nachmittag lernen, wie sie ihre Mitarbeiter effektiv leiten, oder angehende Dozenten an der Hochschule dazu befähigt werden, ihre Lehrveranstaltungen didaktisch nachhaltig zu planen und umzusetzen. Ob sie durch diese Art des Lernens tatsächlich die jeweils versprochenen, anspruchsvollen Kompetenzen erwerben, bleibt höchst fraglich. Bestenfalls findet später ein Transfer des Gelernten in der Praxis statt, sprich hier vollzieht sich die eigentliche Kompetenzentwicklung – oder eben auch nicht.
John Erpenbeck und Werner Sauter, beides namhafte „Kompetenz-Experten“, wagen in ihrem neuen Buch einen selbstbewussten Blick in die Zukunft der computergestützten Kompetenzentwicklung. Sie zeigen, wie die Förderung von Kompetenzen in der betrieblichen Bildung didaktisch funktioniert, welche Rolle Technologien dabei spielen bzw. spielen werden und wie der Kompetenzerwerb in der Zukunft aussehen wird: So werden wir lernen!
Das Buch ist primär an Entscheider und Gestalter betrieblicher Bildungssysteme wie z. B. Geschäftsführer, Trainer und Coaches gerichtet, jedoch spricht es auch in weiteren Bereichen Bildungsverantwortliche und -gestaltende, wie etwa Lehrende an Hochschulen, an.
Zum Auftakt des Buches führen die Autoren gleich in die Zukunft der Kompetenzentwicklung im Jahr 2025 ein. Lernen findet hier selbstorganisiert, an realen Problemstellungen „on-the-job“ statt, mit hochgradig motivierten Lernenden, die ihre kognitiven Dissonanzen beheben möchten. Die Lernenden sind dazu vernetzt in virtuellen Realitäten, die sich nicht mehr von der Praxis unterscheiden lassen können. Smarte „Human Computer“ werden in diesem Setting als Lernbegleiter eingesetzt. Sie analysieren beispielsweise das Handeln der Lernenden, bewerten es und geben darauf zielgerichtetes Feedback. Dieser „Sprung“ von der Gegenwart in die nahe und ferne Zukunft des Lernens wird als Struktur bei vielen der Abschnitte zu Grunde gelegt.
Im Weiteren wird das Thema Kompetenzerwerb behandelt und gezeigt, was dafür Voraussetzung ist. In diesem Kontext prognostizieren die Autoren z. B., dass „formelles“ Lernen seine Wichtigkeit verlieren wird, die individuellen Bedürfnisse der Lernenden sich maßgebend auf die Gestaltung von Lernszenarien auswirken werden und in diesem Zuge auch das selbstgesteuerte Lernen mit c-MOOCs (Massive Open Online Courses) seinen Weg in die betriebliche Bildung finden wird.
In einem weiteren Schritt wird die Rolle des lernfähigen, mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Human Computers als Lernbegleiter diskutiert.
In vier Fallstudien veranschaulichen die Autoren dann anhand von verschiedenen Beispielen, wie Kompetenzentwicklung bereits konkret gelingt, in naher Zukunft sich realisieren ließe und welche Möglichkeiten 2025 bestehen werden. Anschließend wird die Implementierung innovativer Lernsysteme beleuchtet und das dafür nötige Vorgehen beschrieben. Hier wird unter anderem gezeigt, welche Anforderungen auf Personalentwickler in Zukunft als Kompetenzmanager zukommen werden. Abschließend werden in einer Zusammenfassung die Kernaussagen des Buches in Handlungsempfehlungen zusammengefasst.
Die gut lesbare, teilweise anspruchsvolle Lektüre bietet vielfältige und kreative Impulse, Aus- und Weiterbildung im Sinne der Kompetenzentwicklung zu überdenken und erweist sich als wahrer Fundus an didaktisch gestalterischen Möglichkeiten, um beispielsweise innovative Lehr-Lernszenarien zu entwickeln. Vieles davon wird jetzt schon genutzt, sollte aber dort, wo es wirklich sinnvoll ist, noch viel konsequenter umgesetzt werden, um so der geforderten Kompetenzentwicklung und Output-Orientierung tatsächlich Rechnung zu tragen. Skepsis und Unbehagen macht sich jedoch breit in Anbetracht der kühnen Zukunftsvisionen einer schönen, neuen, getriebenen und verwalteten Welt des Kompetenzzeitalters. Wer möchte beispielsweise einen Human Computer als Lernbegleiter vorgesetzt bekommen? Hat nicht schon ELIZA als virtuelle Therapeutin eine verdammt schlechte Figur gemacht?