„Lernen durch Lehren“ als handlungsorientiertes Lernkonzept

Kurzinfos_FBZHL_5-2014-ZFHE-2012-3-51

Aus der Reihe

Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre der Friedrich-­Alexander Universität Erlangen-­Nürnberg.

Jennifer Blank, Christian Würtele, Universität Gießen,

Thomas Waitz, Universität Göttingen

Studienfach: Chemie > übertragbar auf andere Fächer

Quelle

Zeitschrift für Hochschulentwicklung (FZHE), Jg. 7 / Nr. 3 (Juni 2012), S. 51-59 http://www.zfhe.at/index.php/zfhe/article/view/430

Problembeschreibung / Zieldefinition

Wir alle wissen um die Notwendigkeit von lernerzentrierten Methoden an der Hochschule: Traditionelle Lehrformen alleine reichen oft nicht aus, damit sich die Studierenden angewandte, berufsrelevante Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen können. An der Universität Gießen wurde daher das Projekt „Lernen durch Lehren“ gestartet, bei dem die Studierenden u. a. ein SchülerInnensymposium eigenständig durchführen. Die Förderung von Handlungs- und Kompetenzorientierung, die von ArbeitgeberInnen häufig gefordert wird, steht bei dem Gießener Ansatz deutlich im Vordergrund.

Herangehensweise / Lösungsansatz

Umgesetzt wurde dies mit einem Format, das Neugierde weckt und die Studierenden dazu veranlasst, sich aktiv und konstruktiv mit einem Lerninhalt auseinanderzusetzen: Sie bekamen die Aufgabe, eigenständig ein Fachsymposium für interessierte SchülerInnen auszurichten. Dabei wurde auch der Lernprozess selbst zum Gegenstand des Lernens: Die Studierenden wurden in Planungs- und Evaluationsabläufe aktiv eingebunden, konnten verschiedene Lösungswege ausprobieren und bekamen regelmäßig die Gelegenheit, den Lerninhalt im Austausch untereinander und mit den DozentInnen zu reflektieren. An der Universität Gießen wurde dieses Format im Modul Bioanorganik für Studierende der Chemie umgesetzt.

Zuerst legten die Studierenden in Absprache mit den DozentInnen die Rahmenbedingungen und Zielsetzungen für das Symposium fest und erarbeiteten in Abstimmung mit den LehrerInnen der Partnerschulen das wissenschaftliche Rahmenprogramm. Dann bildeten sie Projektgruppen für die Aufgabenbereiche Design, Text und Einladungen, Technik, Finanzen sowie Verpflegung und legten entsprechende Ziele fest. Mit Probevorträgen im Plenum und gezieltem Feedback wurden die Inhalte kontinuierlich verbessert; einfache didaktische Grundsätze (z. B. „vom Bekannten zum Unbekannten“) wurden ihnen vorher an die Hand gegeben. Passende Experimente wurden im Praktikum entwickelt, die Vorträge zudem als Poster aufbereitet. Während des Symposiums konnten sich die SchülerInnen die Vorträge anhören und in den Pausen die Poster von den Studierenden erklären lassen. Ein Posterpreis, von den SchülerInnen votiert, förderte die Motivation sowohl der SchülerInnen als auch der Studierenden. An der Universität Gießen kristallisierten sich verschiedene Vorteile des Formats heraus: Zunächst konnten die Studierenden durch die Einbindung der Schulklassen motiviert werden, sich mit dem Themengebiet auseinanderzusetzen. Bei der Aufbereitung der Inhalte wurden sie dazu veranlasst, komplizierte Zusammenhänge zu verstehen und zusammenzufassen und lernten, komplexe Sachverhalte verständlich zu kommunizieren und sich eine fachwissenschaftliche Expertise anzueignen. Schließlich wurden zahlreiche überfachliche Kompetenzen geschult: z. B. zu Präsentations- und Kommunikationskompetenz, Organisations- und Teamfähigkeit sowie zu wissenschaftlichem Arbeiten.

Aufwand

Das Konzept wird als relativ aufwändig betrachtet, für die Beteiligten aus Schule und Hochschule. Der Aufwand für die Lehrenden ist stark abhängig von der Selbstständigkeit der Gruppe. Die Lehrenden übernehmen hauptsächlich eine beratende Rolle und begleiten die Studierenden in ihrem selbstständigen Arbeitsprozess.

Art der Evaluation, Erfolgsfaktoren und Resultate

In der standardisierten Lehrevaluation der Hochschule wurde die Struktur der gesamten Veranstaltung von den Studierenden mit der Schulnote 1,3, also sehr gut bewertet, wobei die Verwendbarkeit der Inhalte als besonders relevant eingestuft wurde. Eine Selbsteinschätzung der Studierenden vor und nach dem Modul ergab eine Verbesserung des Fachwissens um etwa 30%, auch die überfachliche Kompetenz hat sich verbessert. In offenen Interviews und offenen schriftlichen Befragungen hoben die Studierenden die hohe Eigenverantwortung und die neuerworbene Kompetenz auf ihrem Aufgabengebiet hervor. Die erbrachte Leistung wurde in einer realen Anforderungssituation abgerufen, was sich insgesamt positiv auf die Motivation und das Engagement der Studierenden auswirkte. Auch die teilnehmenden SchülerInnen wurden zu dem Symposium befragt: sie wünschten sich mehr Experimente und genauere Erklärungen von Fachbegriffen. Als positiv wurden der Vortragsstil, die Themenvielfalt und die Möglichkeit zur Nachfrage genannt. Die Schwierigkeit der Veranstaltung schätzten die Schülerinnen und Schüler als angemessen ein.

Empfehlungen

Nicht nur die Rückmeldung der Beteiligten, auch die Verleihung eines landesweiten Hochschulpreises zeigt: Die Idee, mit einem Fachsymposium für SchülerInnen eine anwendungsorientierte Aufgabe umzusetzen, die den Studierenden die Chance bietet, vielfältige fachliche und überfachliche Kompetenzen konzentriert zu schulen, sowie die Art der Umsetzung sind empfehlenswert.

Verallgemeinerbarkeit

Das Modell kann ohne Weiteres auf andere Fächer übertragen werden.