Gerd Pfitzenmaier: Leben auf Autopilot. Warum wir der Digitalisierung nicht blind vertrauen sollten.

Rezensentin:
Ramona Zacherl, FBZHL
Originalliteratur:
Gerd Pfitzenmaier: Leben auf Autopilot: Warum wir der Digitalisierung nicht blind vertrauen sollten. München, oekom verlag 2016, ISBN 978-3865818133, 144 Seiten, EUR 12,95.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 69. Erg.-Lfg. Juni 2017 www.personalwirtschaft.de/elearning


Anfang 2017 häuften sich Pressemeldungen über eine an die EU-Kommission gerichtete Empfehlung des Rechtsausschusses des europäischen Parlaments. Die Kommission wurde darin aufgefordert, dringend benötigte Regeln und Pflichten für Roboter und künstliche Intelligenz (KI) auszuarbeiten. Die EU müsse sich zwingend bereits jetzt – also noch vor deren flächendeckenden Einsatz der High-Tech-Helfer – mit den rechtlichen, technischen und ethischen Fragestellungen auseinanderzusetzen, die im Zusammenleben und -arbeiten von Mensch und Maschine an Relevanz gewinnen werden. Dieser Appell könnte auch von Gerd Pfitzenmaier, dem Autor des hier vorgestellten Buches, stammen.
Der Berater und freie Publizist vertritt eine ähnlich weitsichtige, zugleich aber auch kritische Denkweise. Er wirft eine Reihe unbequemer Fragen auf, die die Faszination des technisch Machbaren erstmal in die Schranken weist. Dazu zählt beispielsweise, welche Konsequenzen der technische Fortschritt für die Gesellschaft, die menschliche Kultur, unsere Privatsphäre und das menschliche Selbstbild nach sich ziehen könnte. Obwohl er sich somit sehr tiefgründigen Fragestellungen widmet, bleiben seine Sprache und die gewählten Beispiele auch für Laien gut nachvollziehbar. Er lenkt den Blick der Leserschaft gezielt weg von den populären, technischen und ökonomischen, hin zu den eher vernachlässigten, ethischen Aspekten der Digitalisierung. Die zu erwartenden monetären Profite stehen außer Frage. Pfitzenmaier bezweifelt jedoch, dass der Mensch im Gegenzug dazu bereit sei, seine Souveränität gegen ein bequemeres, effizienteres und ggf. sichereres Leben einzutauschen.
Er zählt u. a. kritische Ereignisse auf, die aufgrund unausgereifter Technologien bereits eingetreten sind (z. B. Tod des Insassen eines selbstfahrenden Autos, ökologische Katastrophen) oder in naher Zukunft zu erwarten sind (z. B. Einsatz von Kriegsrobotern, gesetzeswidriges Handeln von Maschinen). Er warnt eindringlich davor, die sozialen und juristischen Folgen zu ignorieren, wie es beispielsweise im Bereich des Datenschutzes bereits geschehen ist und fordert die verantwortlichen Akteure zur Konstruktion eines entsprechenden sozialen Gerüstes auf – je früher desto besser. Nur so kann vermieden werden, dass Gesetzeslücken und blinde Flecken entstehen und im Nachhinein unter Zeitdruck gefüllt werden müssen. Es ist allerdings noch nicht zu spät, den Wandel zu lenken. Vorschläge zur Gestaltung der Zukunft gibt es bereits zu Genüge. Der Autor beruft sich in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann, die, trotz ihrer Expertise im Bereich der Informationsverarbeitung, der unreflektierten Technikeuphorie mit Misstrauen begegnet. In Anlehnung an Professor Spiekermann unterstützt Pfitzenmaier die Implementierung einer Charta für Big Data. Denn zentrale Grundwerte wie Freiheit, Wahrheit, Gesundheit, Liebe, Privatsphäre und Würde müssen auch im Zeitalter von Robotern und KI weiterhin geschützt werden.
Auch wenn wir die Grundsteine für die „humanistische Ausgestaltung der digitalen Revolution“ (S. 105) legen müssen, übernimmt die nachfolgende Generation die eigentliche Verantwortung. Grund genug, bei Kindern und Jugendlichen das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass technischer Fortschritt und sozialer Wandel nicht voneinander losgelöst betrachtet werden können. Eine Erkenntnis, die in der heutigen, stark auf technische und ökonomische Prinzipien fokussierten Gesellschaft leider noch zu wenig Beachtung findet. Verantwortliche im (Aus-)Bildungssystem, sollten somit künftig verstärkt darauf achten, dass die Vermittlung ethischer, sozialwissenschaftlicher und philosophischer Denkansätze trotz technologischem Innovationsdurst nicht gänzlich auf der Strecke bleibt.