Lothar Schröder: Die digitale Treppe: Wie die Digitalisierung unser Leben verändert und wie wir damit umgehen.

Rezensentin:
Ramona Zacherl, FBZHL
Originalliteratur:
Lothar Schröder: Die digitale Treppe: Wie die Digitalisierung unser Leben verändert und wie wir damit umgehen. Frankfurt am Main, Bund-Verlag 2016, ISBN 978-3766365941, 208 Seiten, EUR 29,90.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 70. Erg.-Lfg. August 2017 www.personalwirtschaft.de/elearning


Die Meinungen zur Digitalisierung sind tief gespalten. Immer wieder wird darüber berichtet, wie sehr die Gesellschaft, das Individuum und die Wirtschaft von technischen Innovationen profitieren können. Nicht weniger häufig melden sich allerdings auch Gegenstimmen zu Wort: Die Digitalisierung markiert den schleichenden Übergang zum gläsernen Menschen, wird Massenarbeitslosigkeit verursachen und auf langfristige Sicht dafür sorgen, dass wir uns den smarten Maschinen unterwerfen müssen. Lothar Schröder nimmt in diesem Meinungsspektrum eine Position ein, die ad hoc keinem dieser Extreme zugeordnet werden kann. Er appelliert, die inhärenten Gestaltungspotentiale zu erkennen und zu nutzen. Sowohl Glorifizierung als auch Dämonisierung des digitalen Wandels seien dabei wenig hilfreich.
Schröder ist Vorstandsmitglied von ver.di und strebt unter den Bedingungen der Digitalisierung nach der Aufrechterhaltung des gewerkschaftlichen Leitbilds „Guter Arbeit“. Er ist überzeugt, dass ein Blick auf die Anfänge der technischen Revolution dabei behilflich sein kann, die aktuellen Geschehnisse besser einordnen und begreifen zu können. Mit dem Sinnbild der digitalen Treppe greift Schröder den Ansatz des Informatikers Wolfgang Coy auf. Darin werden die einzelnen Entwicklungsstufen des Computers vom Automaten zum Werkzeug zum Medium skizziert. Diese Stufen lassen sich sowohl durch die Fähigkeiten, als auch die jeweiligen Einsatzmöglichkeiten der digitalen Technik voneinander differenzieren. Typischerweise gehen mit dem Erreichen einer neuen Evolutionsstufe charakteristische Problemlagen einher, die laut Schröder (zumindest teilweise) durch gewerkschaftliche Interventionen abgefedert werden konnten. Der Übergang von der einen zur anderen Stufe, bedeutet jedoch keine Überwindung dieser Herausforderungen. Vielmehr handelt es sich um kontinuierliche Ergänzungen. Auch wenn der Computer als Medium fungiert, wird er schließlich weiterhin als Automat und Werkzeug eingesetzt. Mehr Nutzungsmöglichkeiten bedeuten also auch mehr Risiken. Schröder selbst erweitert diese Klassifikation aus dem Jahre 1995 durch drei weitere Stufen: Plattform, Begleiter und Prophet. Die zunehmende Geschwindigkeit, mit der sich diese Entwicklung vollzieht, hat für alle Beteiligten sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits verändern technische Errungenschaften unsere Lebens- und Arbeitssphäre in Bezug auf Schnelligkeit, Effizienz und Produktivität. Andererseits gehen damit auch neue Problemfelder (z. B. verschärfte Arbeitsmarktkonkurrenz, Bedrohung der Work-Life-Balance, Gefährdung der Persönlichkeitsrechte des Menschen) einher, die es zu bearbeiten und lösen gilt.
Schröder adressiert alle, die sich intensiver mit den zu erwartenden Nebenwirkungen des digitalen Wandels am Arbeitsmarkt auseinandersetzen möchten. Dazu gehören beispielsweise veränderte Qualifikationsanforderungen oder flexible Arbeitsarrangement. Sein Fokus liegt jedoch eindeutig auf den Interessensvertretungen der Arbeitnehmer, d. h. Betriebs- und Personalräte, Gewerkschaften sowie sonstige Akteure der betrieblichen Mitbestimmung. Sie sollen die Rolle der aktiven Zukunftsgestalter übernehmen, ihre Arbeitsweise an die neuen Gegebenheiten anpassen und zugleich verhindern, dass Arbeitnehmer die Digitalisierung einfach über sich ergehen lassen. Positiv fällt auf, dass Schröder bereits konkrete Strategien (z. B. nebenberufliche Weiterbildungsformate, verringerte Wochenarbeitszeit) vorschlägt, die dabei behilflich sein sollen, den Anforderungen der Zukunft gerecht werden zu können – sowohl auf betrieblicher als auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Weitere Ausführungen dazu, wie die digitale Technik zur Umsetzung dieser Strategien zielführend eingesetzt werden kann – der Wandel revolutioniert immerhin nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch die Bildungslandschaft – würden die Schrift aber wohl noch einen Tick besser abrunden.