Fokusgruppen als Form hochschuldidaktischer Weiterbildung

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Kurzinfos_ZiLL_2015-28_Fokusgruppe forschungsbasierte Lehre
Aus der Reihe: Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre der Friedrich-­Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Melanie Sauer, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Weiterführende Infos:
http://www.einfachgutelehre.uni-kiel.de/allgemein/forschungsbasierte-lehre-im-fokus/
http://www.einfachgutelehre.uni-kiel.de/tag/forschungsbasierte-lehre/

Quelle

Sauer, M. (2014). Austauschrunden als Form wissenschaftlicher Weiterbildung – die Fokusgruppe Forschungsbasierte Lehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), PerLe – Projekt erfolgreiches Lehren und Lernen. Greifswalder Beiträge zur Hochschullehre, 2, 75-84.

Problembeschreibung / Zieldefinition

Um neue Lehr-Lernformate in der Hochschullehre zu etablieren, benötigen Lehrende häufig Unterstützung. Eine Möglichkeit hierzu ist der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen; eine andere Möglichkeit ist es, sich systematisch mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen und zu beraten. Dies kann durch die Einrichtung einer sogenannten Fokusgruppe erleichtert werden. Ziel einer Fokusgruppe im Kontext der Hochschullehre ist es, (neue) Lehr-Lernkonzepte an der Universität (weiter)zuentwickeln, deren Qualität zu verbessern und sich bei deren Einführung über alle Fachbereiche der Universität hinweg gegenseitig zu unterstützen. Im Folgenden wird diese Form der hochschuldidaktischen Weiterbildung anhand einer Fokusgruppe zum Thema „Forschungsbasierte Lehre“ an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel erläutert.

Herangehensweise / Lösungsansatz

Eine Fokusgruppe ist eine Gruppe von Personen, die sich trifft, um sich zu einem klar abgegrenzten Thema auszutauschen und dieses ergebnisorientiert zu diskutieren. An der Universität zu Kiel haben Lehrende die Methode der Fokusgruppe genutzt, um sich über das Thema „Forschungsbasierte Lehre“ auszutauschen und sich bei der Umsetzung forschungsbasierter Lehre gegenseitig zu unterstützen. Grundsätzlich entscheiden die Mitglieder einer Fokusgruppe stets selbst, worauf sie inhaltlich ihr Augenmerk legen wollen. Alle Mitglieder der Fokusgruppe sind dabei berechtigt, Vorschläge zu äußern, um dann eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Fokusgruppen als Form hochschuldidaktischer Weiterbildung haben folgende Ziele: (1) Interdisziplinärer Austausch und Diskussion, (2) kollegiale Beratung anhand konkreter Praxisbeispiele innerhalb der Gruppe, (3) Dokumentation der Ergebnisse in Form von Vorbereitungen für handlungsorientierte Leitfäden, (4) Ausbildung von MultiplikatorInnen. Diese Ziele sind in Abbildung 1 dargestellt.

Die Ziele der Fokusgruppe „Forschungsbasierte Lehre“ wurden im hier vorgestellten Beispiel folgendermaßen umgesetzt: (1) Die Treffen der Fokusgruppe dienten zunächst dem interdisziplinären Austausch über die Gestaltung forschungsbasierter Lehre und zur Diskussion ihrer praktischen Umsetzung. Im Zentrum der Diskussion standen dabei Fragen wie „Was gebe ich vor und was lasse ich die Studierenden entscheiden?“ oder „Welche Prüfungsformen bieten sich an?“. (2) Anschließend wurden im Rahmen kollegialer Beratung eigene Praxisbeispiele zu „traditionellen“ Lehrveranstaltungen der Fokusgruppen-Mitglieder in den Blick genommen und es wurde diskutiert, wie sich diese in forschungsbasierte Lehrveranstaltungen transformieren ließen. (3) Im Verlauf der Treffen in der Fokusgruppe wurden Kriterien für die erfolgreiche Umsetzung forschungsbasierter Lehre Schritt für Schritt gesammelt. Als Ergebnis entstand ein erster Entwurf eines Leitfadens zur Planung forschungsbasierter Lehrveranstaltungen. Zu den Inhalten dieses Leitfadens gehören verschiedene Möglichkeiten, die sich je nach Rahmenbedingungen für die Gestaltung forschungsbasierter Lehrveranstaltungen nutzen lassen, einschließlich Hinweise zu den Konsequenzen, die mit der Entscheidung für die jeweiligen Möglichkeiten einhergehen. Der Leitfaden wird nach seiner endgültigen Fertigstellung den Lehrenden universitätsweit und darüber hinaus zur Verfügung gestellt. (4) Die Mitglieder der Fokusgruppe agierten im Beispiel zugleich als MultiplikatorInnen, die das Konzept forschungsbasierter Lehre in ihrem jeweiligen Fachbereich bekannt machen sollten.

Aufwand

Die etwa zweistündigen, monatlichen Treffen aller Mitglieder und die Mitarbeit bei der Erstellung des Leitfadens bedeuten einen zeitlichen Aufwand von etwa drei Stunden pro Monat für die Lehrenden, der allerdings je nach Engagement variiert. Mit der Leitung der Fokusgruppe gehen darüber hinaus weitere Aufgaben einher: Hierzu zählen organisatorische Tätigkeiten, die didaktische Gestaltung der Treffen, das Initiieren von neuen Themenfeldern oder Aufgaben bzw. das Einladen von ExpertInnen bzw. ReferentInnen für das zu diskutierende Thema.

Art der Evaluation, Erfolgsfaktoren und Resultate

Als ein erstes Resultat der im Beispiel dargestellten Fokusgruppe „Forschungsbasierte Lehre“ kann festgehalten werden, dass im Zuge der Fokusgruppenarbeit in den Fachbereichen, aus denen die Fokusgruppenmitglieder stammten, generell ein starker Anstieg von Anfragen zum Angebot der Einzelberatung Lehrender zur studierendenzentrierten Gestaltung ihrer Lehre zu beobachten war. Dies wurde als Hinweis darauf gewertet, dass die Mitglieder der Fokusgruppe wirksame MultiplikatorInnen für dieses Thema waren und dazu beigetragen haben, das Konzept der studierendenzentrierten Lehre auch über die teilnehmenden Lehrenden hinaus bekannt zu machen. Hierzu soll zukünftig auch der in der Fokusgruppe entworfene Leitfaden zur Planung forschungsbasierter Lehrveranstaltungen beitragen.
Über eine allgemeine Sensibilisierung für das Thema hinaus war zu beobachten, dass sich die Lehrenden der Fokusgruppe auch außerhalb der Fokusgruppe für das Initiieren gemeinsamer Aktivitäten interdisziplinär, d. h. über verschiedene Fachbereiche hinweg, vernetzten. Außerdem meldeten die Teilnehmenden der Fokusgruppe nach deren einjährigem Bestehen zurück, dass der größte selbst wahrgenommene Lernerfolg darin lag, dass sie zu einer vertieften Reflexion didaktischer Methoden gelangten. Dies gilt insbesondere für Neulinge im Bereich forschungsbasierter Lehre. Auch erfahrene Lehrende profitierten jedoch von der Arbeit in der Fokusgruppe für die eigene Lehre, insbesondere von den Reflexionen ihrer Kolleginnen und Kollegen. Auch lernten die Teilnehmenden der Fokusgruppe weitere didaktische Methoden sowie allgemein Methoden der Reflexion kennen.
Die Herausforderung bei der Zusammenarbeit in einer Fokusgruppe liegt insbesondere darin, die Gruppe so zu etablieren, dass diese selbst Verantwortung für die kontinuierliche, gemeinsame Arbeit, das langfristige Bestehen und die stete Weiterentwicklung übernimmt und zugleich fähig ist, sich selbst in diesen Prozessen zu steuern. Um diese Aufgabe zu bestreiten, ist es wichtig, zu Beginn einer Fokusgruppe eine ausreichende Anzahl an Teilnehmenden zu gewinnen. Insbesondere sollten langfristig an der Universität angestellte MitarbeiterInnen wie auch ProfessorInnen als Mitglieder der Fokusgruppe gewonnen werden, um Kontinuität und damit Handlungsfähigkeit garantieren zu können. Um diese Ziele sicherstellen zu können, ist auch die Identifikation der Teilnehmenden der Fokusgruppe mit den selbst gewählten Themen wichtig.

Empfehlungen

Aufgrund der positiven Resultate (Anstieg bei der Nachfrage der Einzelberatungen aufgrund von Multiplikatoreneffekten, Entwurf eines Leitfadens zur Gestaltung forschungsbasierter Lehre) und der positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden an der Fokusgruppe, ist diese Form hochschuldidaktischer Weiterbildung für Lehrende auch für andere Hochschulen zu empfehlen. Allerdings sollte bei den Teilnehmenden an der Fokusgruppe die Bereitschaft vorhanden sein, Zeit für regelmäßige Treffen zu investieren. Dies betrifft vor allem auch die Leitung der Fokusgruppe.
Günstige institutionelle Rahmenbedingungen können das Gelingen von Fokusgruppen zusätzlich unterstützen: Dies kann beispielsweise in Form von geeigneten Anreizen für die hochschulweite Dokumentation und Verbreitung der Produkte der Fokusgruppe erfolgen. Alternativ kann die Unterstützung der Fokusgruppen auch durch zentrale Einrichtungen für hochschuldidaktische Fragen gegeben werden.

Verallgemeinerbarkeit

Austauschformate wie die Fokusgruppe eignen sich insbesondere dafür, gemeinsam Neues zu erarbeiten und neue Ideen oder Produkte (z. B. Leitfäden) zu entwickeln. Ihr Einsatzbereich ist nicht auf bestimmte Fachbereiche beschränkt. Vielmehr sollten sie generell interdisziplinär zusammengesetzt sein, um den Austausch der Lehrenden über Fächergrenzen hinweg zu ermöglichen. Besonders geeignet sind dafür Herausforderungen, an deren Bewältigung möglichst viele Lehrende ein genuines Interesse haben.