Kritisches Fragen als Methode der Erkenntnisgewinnung

Aufsaetze_FBZHL_1_2013
Aus der Reihe
Schriften zur Hochschuldidaktik. Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre der Friedrich-­Alexander Universität Erlangen-­Nürnberg.
Dirk Jahn, Universität Erlangen-Nürnberg

Zusammenfassung

Wer, wie, was?wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt bleibt dumm! heißt es im Titellied der Sesamstraße. Durch das Stellen von kritischen Fragen wird die Welt durchdrungen und Lebenswelten dabei konstruiert. Fragen stellen: Dadurch bleibt nicht alles so selbstverständlich, wie es einmal schien.
An Universitäten, jenen historischen Orten des kritischen Fragens, scheint das Lernen spätestens seit der Bologna-Reform jedoch oftmals stark regulierend und restriktiv gestaltet zu werden. Kritik wird laut, dass Studierenden größtenteils direkt oder indirekt vorgeschrieben wird, was, wie, wo, wann oder warum sie zu lernen haben oder welche Probleme sie in der Praxis auf welche Weise lösen sollen. Durch Verschulungstendenzen, inhaltlicher Überfrachtung und einer zu einseitigen Ausrichtung der Lehre auf die Generierung von wirtschaftlich verwertbaren „Kompetenzen“ werde das kritische Fragen der Studierenden aus dem Hörsaal verbannt. Auch computergestützte Lernumgebungen des Selbststudiums würden Studierenden des Weiteren nur wenig Freiraum bieten, um kritische Fragen aufwerfen und durchdenken zu können.
Diese kritischen Einschätzungen lassen sich aus mehreren Gründen nur schwer empirisch untermauern. Allein aber die Tatsache, dass Kritik an der Hochschullehre bezüglich des Rückgangs des kritischen Denkens mit guten Argumenten vorgetragen werden kann, sollte Anlass dafür sein, die eigene Lehrpraxis auf den Prüfstand zu stellen. Wenn kritisches Denken und Fragen tatsächlich nur noch eine Randerscheinung im Lehrbetrieb der Hochschulen zu sein scheint, so stellt sich die Frage, welche Konsequenzen daraus zu ziehen wären: Zurücklehnen, weiter klagen oder doch den Versuch unternehmen, die ‚Verhältnisse‘ eben zu verändern?

Der vorliegende Beitrag zählt zu der letztgenannten Kategorie: Im Folgenden wird der Versuch unternommen, kritischem Denken als Bildungsziel in der Hochschullehre auf die Spur zu gehen und zentrale Ergebnisse aus einer Forschungsarbeit zur Theorie und Didaktik kritischen Denkens vorzustellen, die zeigen, welche Aspekte das Konzept charakterisieren und wie Dozierende kritisches Nachdenken bei den Studierenden trotz hochschulischer Restriktionen disziplinübergreifend fördern können.
Abschließend werden Empfehlungen gegeben, wie Dozierende im Rahmen der hochschuldidaktischen Weiterbildung für die anspruchsvolle Aufgabe der Denkschulung qualifiziert werden sollten.