Gerd Bräuer: Das Portfolio als Reflexionsmedium für Lehrende und Studierende.

Rezensent: Dirk Jahn
Originalliteratur: Bräuer, Gerd: Das Portfolio als Reflexionsmedium für Lehrende und Studierende. Opladen und Toronto (Verlag Barbara Budrich) 2014, ISBN 978-3825241414, 128 Seiten, EUR 9,99.
Quelle der Rezension: Wilbers, K. (Hrsg.): Handbuch E-Learning. www.personalwirtschaft.de/elearning
Schreiben ist mehr als eine hardcopy des Denkens. Es ist ein Weg, um Klarheit zu erlangen. Reflexives Schreiben kann die Brücke zwischen Theorie und Praxis, dem Denken und dem Handeln bauen. Schriftliches Reflektieren eröffnet die Möglichkeit, ein tiefes Verständnis des eigenen Handelns zu erlangen und somit die Praxis zielgerichtet zu verbessern. Dieser verkürzt dargestellte Zusammenhang ist Teil des immer wichtiger werdenden Konzeptes der reflexiven Praxis.
In dem neuen Werk des erfahrenen Schreibpädagogen Gerd Bräuer geht es darum, wie sowohl Lernende als auch Lehrende durch reflexives Schreiben in ihrer Praxis profitieren können. Besonders wird dabei das E-Portfolio als Medium der Reflexion berücksichtigt. Das Buch ist primär an Lehrende in der Hochschule gerichtet. Die damit verbundenen Inhalte sind aber auch für Lehrende in der beruflichen Aus- und Weiterbildung von Relevanz.
Das Konzept der reflexiven Praxis wird einleitend von Bräuer vorgestellt und zentrale Vorteile besprochen. Für Lehrende bietet reflexive Praxis unter anderem die Möglichkeit, die eigene Lehrtätigkeit und darauf fußend auch die Lehrkompetenz zu verbessern. Lernende hingegen werden in ihrer Reflexionsfähigkeit gefördert und können dadurch bessere Leistungen erzielen.
Der Prozess des reflexiven Lernens unterscheidet dabei verschiedene Ebenen und Phasen. In der sogenannten Primärreflexion geht es darum, Sachverhalte zu dokumentieren und zu beschreiben. In der Sekundärreflexion hingegen wird dieses gesammelte Material tiefgehend analysiert und interpretiert, um darauf folgend Handlungskonsequenzen für die Praxis zu ziehen.
Wie das didaktisch umgesetzt werden kann, was dabei beachtet werden sollte oder wie das Assessment dazu aussehen kann, zeigt Gerd Bräuer in den folgenden Kapiteln anhand von vielen Beispielen, kurzen Theorieinputs und Anregungen zum Nachdenken. Er veranschaulicht, wie sich die verschiedenen Phasen und Ebenen der Reflexion unter Einsatz von angemessenen Arbeitsaufträgen, stimmigen Methoden und Medien wie Tagebuch, Arbeitsjournal und Portfolio umsetzen und verzahnen lassen.
Besonderes Augenmerk schenkt er dabei dem E-Portfolio. Ein E-Portfolio ist eine vom Lernenden systematisch gestaltete, digitale Materialsammlung, die den Vorgang seiner Wissensaneignung zu einem Thema dokumentiert und eben auch reflektiert. Unterschieden wird dabei zwischen sogenannten Workspace- und Showcase-Portfolios, die miteinander verschränkt werden können. Erstere sind dem Prozess des Lernens verschrieben und dokumentieren das Entstehen eines Werkes bzw. den Zuwachs an Wissen und Können. Letztere hingegen zeigen und kommentieren das entstandene Werk selbst, das sozusagen die materielle Seite des Lernens spiegelt.
Das gut lesbare und informative Buch ermöglicht eine hervorragende Einführung in relevante theoretische und vor allem auch praktische Aspekte des weiten Themenfeldes der reflexiven Praxis und der didaktischen Portfolioarbeit. Lehrende erhalten vielfältige praktische Anregungen durch exemplarische Arbeitsblätter, Aufgabenstellungen oder Bewertungsraster, wie sie reflexives Lernen bzw. Schreiben, insbesondere mit E-Portfolios, in ihre Lehre integrieren können – im großen als auch im kleinen Stil. Auch die Seite der reflexiven Praxis für Lehrende selbst kommt dabei, wenngleich etwas knapper dargelegt, nicht zu kurz. Ein wenig mehr niederschwellige Angebote zur Umsetzung wären insgesamt wünschenswert gewesen, da viele der vorgestellten Ansätze eher „High-End“ sind, die sich in vielen restriktiven Bereichen der Praxis nicht so ohne weiteres umsetzen lassen werden. Ein weiteres Manko besteht meines Erachtens darin, dass der Autor mit reflexiver Praxis meist die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit durch eine „berufliche“ Selbstoptimierung im Blick hat. Der zu dominant gewordenen Forderung im Hochschulbetrieb nach Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt spielt das Buch damit zu.