Malte Spitz & Brigitte Biermann: Was macht ihr mit meinen Daten?

Rezensentin: Ramona Rappe, FBZHL
Originalliteratur:
Malte Spitz & Brigitte Biermann: Was macht ihr mit meinen Daten? Hamburg, Hoffmann und Campe Verlag 2014, ISBN 978-3-50328-9, 200 Seiten, EUR 17,99.
Quelle der Rezension:
Wilbers, Karl (Hrsg.): Handbuch E-Learning. 62. Erg.-Lfg. April 2016 www.personalwirtschaft.de/elearning


Was macht ihr mit meinen Daten? Eine Frage, die sich viele von uns trotz häufender Skandale und Enthüllungen über flächendeckenden Datenmissbrauch und staatliche Überwachung vermutlich viel zu selten stellen. Ist der Verzicht auf informationelle Selbstbestimmung und Freiheit wirklich ein fairer Preis für die durch Digitalisierung ermöglichte Bequemlichkeit?
Malte Spitz stellt sich genau diese Frage und begibt sich für deren Beantwortung auf die Suche nach denen, die Daten massenhaft erheben, speichern, auswerten und/oder verkaufen. Die Motivation dazu war schlichtweg die eigene Unwissenheit darüber, wie weit sich die Verdatung unseres Lebens bereits ausgebreitet hat, welche Akteure davon besonders profitieren (Unternehmen, Staat, Geheimdienst etc.) und welche gesellschaftlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Die Erkenntnisse seines Selbstexperiments dokumentiert er im vorliegenden Buch, dessen 8 von 11 Kapiteln auf der gleichen, eingangs formulierten Fragestellung basieren. Der Fokus wird dabei auf je andere Bereiche gelegt, z.B. Arztbesuche, Telefonate, Reisen, Videoüberwachung usw., die allesamt unverzichtbare Bestandteile unseres Alltags sind. Eingebettet werden seine Erlebnisse durch Verknüpfungen mit aktuellen politischen Debatten, Gesetzesentwürfen sowie Experteninterviews, u.a. mit Datenschutzbeauftragten oder Vertretern von Gewerkschaften. Als kurzer Exkurs schließt daran ein Vergleich der heutigen Situation mit den Praktiken der Geheimdienste der Vergangenheit wie Gestapo und Stasi an, um zugleich einen Erklärungsansatz für die im Ausland häufig belächelte, typisch deutsche Empfindlichkeit gegenüber Machtkonzentration und -missbrauch aufzuzeigen. Im letzten Kapitel werden Handlungsempfehlungen formuliert, wie der zukünftige Umgang mit Daten (z.B. mehr Transparenz und leichterer Zugriff auf Datenbanken) im Einklang mit den Interessen der Bürger aussehen könnte, ohne dabei der Utopie zu verfallen, dass man versuchen könnte, dem technischen Fortschritt zu entkommen.
Das Thema „Daten“ ist aufgrund seiner – nicht nur technischen – Komplexität oft schwer durchschaubar, schließlich ist deren Besitz mittlerweile untrennbar mit Macht und Geld verbunden. Malte Spitz ist als Politiker selbst kein Spezialist auf diesem Gebiet und schafft es genau aus diesem Grund seine Reise durch den Datendschungel so anschaulich zu erläutern, dass auch Laien gut nachvollziehen können, mit welchen Hürden er zu kämpfen hatte, um zu erfahren, welche Datenbank sensible Informationen über ihn selbst und somit zugleich auch über jeden Einzelnen von uns enthält. Empfehlenswert ist das Buch somit für all jene pädagogischen Professionals, die bezüglich Datenschutz und -sicherheit Reflexionsprozesse anregen und zugleich die Entwicklung von Medienkompetenz unterstützen möchten.
Fazit: Malte Spitz und seine Mitautorin, die Journalistin Brigitte Biermann greifen ein hochaktuelles Thema auf, dessen Brisanz aller Voraussicht nach noch einige Zeit erhalten bleibt. Wie schnell sich die flächendeckende (Vorrats-) Datenspeicherung in den letzten Jahren wirklich entwickelt hat und wie sie sich zukünftig weiterentwickeln könnte, ist wohl kaum einem Laien bewusst, sodass mit dieser medial viel beachteten Veröffentlichung ein enormer Beitrag zur Aufklärung und Sensibilisierung der breiten Bevölkerung gelingen kann. Angesichts zunehmender Angst vor islamistischer Radikalisierung und terroristisch motivierten Attentaten wächst in großen Teilen der Bevölkerung jedoch zeitgleich das Bedürfnis nach staatlichen Interventionen. Zukünftig gilt es also, diese teils widersprüchlichen Ansprüche und Forderungen – auf der einen Seite mehr Datenschutz, auf der anderen Seite mehr Schutz vor Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit – miteinander in Einklang zu bringen und zugleich abzuwägen, wie viel wir zum Wohle der Gemeinschaft bereit sind, von uns preiszugeben.